Der Bundesgerichtshof hat heute – unter teilweiser Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – entschieden, dass eine Mieterhöhung nach § 558 BGB auf der Basis der tatsächlichen Wohnfläche zu erfolgen hat, unabhängig davon, ob im Mietvertrag eine abweichende Wohnfläche angegeben und wie hoch die Abweichung von der tatsächlichen Wohnfläche ist.
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist Mieter einer 5-Zimmer-Wohnung der Klägerin in Berlin. Im Mietvertrag sind die Wohnfläche mit 156,95 qm und die monatliche Miete mit 811,81 DM angegeben. Tatsächlich beträgt die Wohnfläche 210,43 qm.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zustimmung zur Erhöhung der derzeitigen Bruttokaltmiete von 629,75 € auf insgesamt 937,52 €. Dies begründet sie damit, dass sie nach den allgemeinen Mieterhöhungsvorschriften* zu einer Erhöhung der momentan geschuldeten Miete um 15 % (94,46 €) sowie darüber hinaus wegen einer Überschreitung der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um 33,95 % zu einer entsprechenden weiteren Anhebung berechtigt sei. Der beklagte Mieter hat nur einer Mieterhöhung um 94,46 € zugestimmt Die auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung um weitere 213,31 € gerichtete Klage der Vermieterin ist in den Vorinstanzen abgewiesen worden.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Die vom Landgericht zugelassene Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat hat entschieden, dass es im Mieterhöhungsverfahren nach § 558 BGB nur auf die tatsächliche Wohnungsgröße ankommt. § 558 BGB soll es dem Vermieter ermöglichen, eine angemessene, am örtlichen Markt orientierte Miete zu erzielen. Für den Vergleich ist deshalb allein der objektive Wohnwert der zur Mieterhöhung anstehenden Wohnung maßgeblich, während etwaige Vereinbarungen der Mietvertragsparteien über die Wohnungsgröße im Mieterhöhungsverfahren keine Rolle spielen können, denn sonst würden nicht die tatsächlichen, sondern vertraglich fingierte Umstände berücksichtigt. An seiner früheren Rechtsprechung, dass der Vermieter sich an einer im Mietvertrag zu niedrig angegebenen Wohnfläche festhalten lassen muss, wenn die Abweichung nicht mehr als zehn Prozent beträgt. hält der Senat deshalb nicht mehr fest. Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall, dass die Wohnfläche im Mietvertrag zu groß angegeben ist; hier kann der Vermieter die Miete gemäß § 558 BGB ebenfalls nur auf der Grundlage der tatsächlichen (niedrigeren) Wohnfläche erhöhen.
Neben der Berücksichtigung der wirklichen Wohnungsgröße im Rahmen der allgemeinen Mieterhöhungsvorschriften (§ 558 BGB) – das heißt unter Beachtung der Kappungsgrenze – besteht für den Vermieter keine weitere Möglichkeit der einseitigen Mietanpassung.. Insbesondere ergibt sich aus einer unzutreffenden Wohnflächenangabe im Mietvertrag noch kein Anwendungsfall eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB**). Dem steht bereits entgegen, dass die zutreffende Ermittlung der tatsächlichen Wohnfläche regelmäßig in die Risikosphäre des Vermieters fällt.
Vorinstanzen:
Amtsgericht Charlottenburg – Urteil vom 2. Dezember 2013 – 237 C 302/13
Landgericht Berlin – Urteil vom 11. September 2014 – 18 S 413/13
Karlsruhe, den 18. November 2015
*§ 558 BGB Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete
(1) Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. 2Das Mieterhöhungsverlangen kann frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung geltend gemacht werden. 3Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 werden nicht berücksichtigt.
(2) Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen nach § 560 abgesehen, geändert worden sind. 2Ausgenommen ist Wohnraum, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist.
(3) Bei Erhöhungen nach Absatz 1 darf sich die Miete innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 abgesehen, nicht um mehr als 20 vom Hundert erhöhen (Kappungsgrenze). 2Der Prozentsatz nach Satz 1 beträgt 15 vom Hundert, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind. 3Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen. […]
** § 313 Störung der Geschäftsgrundlage
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen. […]
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs