Die Bundesregierung hält an ihrem Gesetzentwurf fest, wonach Eigentümergemeinschaften mit einem 75-Prozent-Quorum beschließen können, ihre Versammlungen vollständig virtuell abzuhalten. Das geht aus ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates hervor. Die Länderkammer hatte einen solchen Beschluss eine praxisferne Einstimmigkeit vorgeschlagen.(1)
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung mit dem komplizierten Namen „Entwurf eines Gesetzes zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen“ (Bundestagsdrucksache 20/9890)sieht vor, dass Wohnungseigentümer mit mindestens drei Vierteln der in der Versammlung abgegebenen Stimmen beschließen dürfen, dass die Versammlung innerhalb eines Zeitraums von längstens drei Jahren ab Beschlussfassung ohne physische Präsenz der Wohnungseigentümer und des Verwalters an einem Versammlungsort stattfindet oder stattfinden kann (§ 23 Absatz 2a WEG-E). Das vorgesehene 75-Prozent-Quorum orientiert sich an der Rechtslage im Aktienrecht. Der Bundesrat sprach sich für einen einstimmigen Beschluss aus. „Die Bundesregierung hat den Vorschlag des Bundesrates geprüft, sieht jedoch keinen Anpassungsbedarf an ihrem Gesetzentwurf“, heißt es in der Gegenäußerung der Bundesregierung. Es bestehe ein praktisches Bedürfnis für virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen. Einstimmigkeit dürfte in einer Wohnungseigentümerversammlung in vielen Fällen nur schwer zu erreichen sein. Die bisherige Hürde einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer solle mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung gerade gesenkt werden. „Mit dem vorgesehenen Quorum von 75 Prozent und der Befristung der Beschlüsse auf drei Jahre wird den Interessen von Wohnungseigentümerinnen und -eigentümern, die die rein virtuelle Versammlungen nicht befürworten, hinreichend Rechnung getragen. Auch für Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer ohne die erforderliche Technik oder Digitalkompetenz bestehen diverse Möglichkeiten, an der Versammlung teilzunehmen (Unterstützung durch Verwandte oder Freundinnen und Freunde; Teilnahme bei anderen Wohnungseigentümerinnen und -eigentümern) bzw. sich dort vertreten zu lassen und so an der Meinungsbildung mitzuwirken“, so die Bundesregierung.
VDIV befürwortet die virtuelle Versammlungsmöglichkeit
Der VDIV Deutschland setzt sich von Beginn an für die zusätzliche Option, Eigentümerversammlungen virtuell durchzuführen, ein. Den Gemeinschaften wird damit die Möglichkeit gegeben, schneller als bisher handlungsfähig zu sein. Der durch die Corona-Pandemie ausgelöste digitale Schub zeigt die hohe Akzeptanz dieser virtuellen Formate. Mobilitätseingeschränkte Personen, Alleinerziehende oder Besitzer*innen von vermieteten Wohnungen und Ferienunterkünften könnten sich zudem zuschalten, diskutieren und beschließen. Beschlüsse könnten damit durch eine viel größere Anzahl an aktiven Eigentümer*innen getragen und auf eine breitere Basis gestellt werden. Aber auch die Gruppe derjenigen, die bislang ungeübt mit dem Internet sind, wird nicht in ihrem Versammlungsrecht beschnitten. Vielmehr bleiben die Informationspflicht und Vollmachtausübung weiterhin erhalten. Zudem besteht die komfortable Möglichkeit, gemeinsam mit einem anderen Eigentümer online dabei zu sein, wie es der Gesetzentwurf vorsieht.
Zukünftig werden Gemeinschaften mit ihren Immobilienverwaltungen wohl auch unterjährig häufiger Entscheidungen treffen müssen, um u. a. gesetzliche Anforderungen erfüllen zu können. Die virtuelle Eigentümerversammlung kann daher eine wichtige Option sein, um künftige Herausforderungen im Wohnungseigentum zu meistern und dem Fachkräftemangel zu begegnen. Schon heute fehlt es an Personal, sodass viele Verwaltungen gezwungen sind, sich von Gemeinschaften zu trennen und/oder keine neuen Gemeinschaften annehmen Ein virtuelles Abstimmungstool würde einiges erleichtern.
Im Unterschied zur bisherigen Präsenzversammlung, ermöglicht die neue Versammlungsform, auch kurzfristige Reaktionen, wie zum Beispiel auf zeitlich befristete Förder- und Zuschussprogramme und ein einfacheres Zusammenkommen zwischen Gemeinschaft und Verwaltung, indem größerer organisatorischer Aufwand vorab entfällt.